«Die Ernst Frey AG hat eine starke, familiäre Unternehmenskultur»
Eine der grossen Herausforderungen in der Baubranche ist der Fachkräfte-
mangel. Dieser hat sich in den vergangenen Jahren noch akzentuiert. Tom Aebi, CEO der Ernst Frey AG in Augst, spricht vom «War for Talents» – und wie man ihn gewinnen kann.

Tom Aebi, CEO Ernst Frey AG
Wie steht es generell um den Nachwuchs in der Baubranche?
Tom Aebi: Der Trend zeigt, dass die harte Arbeit bei der jüngeren Generation eher unbeliebter wird. Es macht oft den Anschein, dass es viele Jugendliche erst dann auf dem Bau versuchen, wenn sie sonst gar nichts finden. Leider sind dies meist eher die schwächeren Schüler. Und diese sind dann auch nicht sonderlich motiviert für eine Maurer- oder Strassenbauerlehre. Aufgrund der schulischen Basisschwächen eignen sich solche Schulabgänger dann auch nicht für eine weiterführende Kaderplanung.
Wie nehmen Sie bei der Ernst Frey AG den Fachkräftemangel wahr?
Wir stellen fest, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren deutlich zugespitzt hat. Nicht ohne Grund spricht man auch in unserer Branche vom «War for Talents». Darum starteten wir bereits vor mehr als zehn Jahren mit der Initiative, mehr Präsenz an den umliegenden Schulen zu zeigen. Die Idee war es, die Schülerinnen und Schüler vor Ort zu besuchen, sie für unsere Tätigkeit zu sensibilisieren und jährlich einen Anlass zu organisieren, um potenzielle Lehrlinge direkt anzusprechen. Heute wird dies aber nur noch zum Teil umgesetzt, weil der Erfolg eher mässig war. Aus diesem Grund sind wir dazu übergegangen, verstärkt auf Schnupperlehren und Praktika zu setzen. Zudem ist Lehrlingsausbildung bei uns Chefsache.
Wie ist das zu verstehen?
Weil der Fachkräftemangel sehr gross ist, versuchen wir mehr und mehr, die direkte Betreuung der Lernenden auch durch Mitglieder der Geschäftsleitung sicherzustellen. Intensität und Qualität der Ausbildung werden dadurch verbessert und Ausbildungsdefizite frühzeitig erkannt. Zudem durchlaufen die Lernenden on the Job alle Abteilungen. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klatsche. Erstens erfahren die Jugendlichen, welche unterschiedlichsten Beschäftigungsmöglichkeiten unsere Unternehmung bietet. Und zweitens können wir damit immer wieder auch Talente in unserem Betrieb halten – weil wir ihnen eben frühzeitig Perspektiven bieten.
Welche weiteren Massnahmen haben Sie ergriffen?
Die Ernst Frey AG hat eine starke, familiäre Unternehmenskultur. Im Fokus aller unserer Massnahmen stehen deshalb Kompetenz, Ausbildungsqualität, Wohlbefinden und Arbeitssicherheit der Mitarbeiter und Führungskräfte. Das gilt für Lernende und temporär Mitarbeitende gleichermassen. Diese werden – wenn möglich – in eine Festanstellung übernommen. Und schliesslich befinden wir uns immer wieder aktiv auf der Talentsuche mittels externer Unterstützung, auch durch Headhunter.
In welchen Berufszweigen bildet die Ernst Frey AG Lernende aus?
Wir bilden in allen für die Branche relevanten Berufen Lernende aus. Das geht vom Baumaschinenmechaniker über Kaufmann/Frau, Maurer, Strassenbauer und Zimmermann. In allen Bereichen sind es derzeit 24 Lernende.
Welches sind die Besonderheiten in Ihrem Unternehmen in Bezug auf die Ausbildung von Lernenden?
Eine Besonderheit ist sicherlich die bereits erwähnte Mitbetreuung der Lernenden durch ein Mitglied der Geschäftsleitung, etwa bei den Maurern, sowie die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten, welche ihnen beim Durchlaufen aller Abteilungen in den Baubetrieben vermittelt werden kann. Schliesslich soll der traditionelle Ausflug mit allen Lernenden wieder aufgegriffen werden – dieser musste leider aufgrund von Corona vorübergehend auf Eis gelegt werden. Im Weiteren bieten wir zahlreiche interne praxisbezogene Kurse als gezielte Ergänzung zur eigentlichen Berufslehre an.
Welche Rolle spielt heute das sogenannte «Employer Branding» – und wie wenden Sie es bei der Ernst Frey AG an?
Eine hohe und überzeugende Arbeitgeberattraktivität ist von wachsender Bedeutung für eine erfolgreiche Rekrutierung von Fachkräften. Das «Employer Branding» spielt für uns deshalb eine immer wichtigere Rolle. Ich räume aber ein, dass wir in diesem Bereich noch über Potenzial verfügen. Wir haben dies erkannt und deswegen handelt es sich um ein eigentliches strategisches Masterprojekt in der Unternehmung, welches dieses Jahr noch gestartet wird. Ziel ist es, die vielen zur Verfügung stehenden Marketing- und Kommunikationskanäle noch besser zu nutzen, damit wir uns bei den relevanten potenziellen Fachkräften als moderner und attraktiver Arbeitgeber positionieren und empfehlen können.
Wie kann erreicht werde, dass mehr Jugendliche als heute den dualen Bildungsweg beschreiten?
Wichtig ist die gezielte Information vor Ort in den Schulen. Den meisten Jugendlichen ist gar nicht bewusst, wie viele tolle berufliche Möglichkeiten heute auf dem Bau möglich sind und welche unterschiedlichsten Laufbahnen angeboten werden. Wir stellen leider immer wieder fest, dass auch die Lehrkräfte an den Schulen ein falsches oder unvollständiges Bild von den Bauberufen haben. Die Möglichkeiten und allgemeinen Aufstiegschancen im Sektor Bau sind unglaublich vielfältig, attraktiv und abwechslungsreich. Künftig muss die Baubranche auch für die besseren bis sehr guten Schulabgänger eine interessante Berufsoption mit reellen Aufstiegschancen darstellen.
Wer ist gefordert?
Es gilt systematisch an verschiedenen Hebeln anzusetzen. Schulen und Erziehungsberechtigte müssen primär besser und regelmässiger informiert werden. Da sind wir als Unternehmung aktiv dabei. Insgesamt muss es aber der Branche – und damit dem Brancheverband – gelingen, die Attraktivität unserer Berufe für Schulabgängerinnen und -abgänger zu steigern. Ausserdem sollten verbesserte Möglichkeiten für ausländische erwachsene Mitarbeitende ohne Schulkenntnisse geschaffen werden, damit diese das Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) verkürzt, vereinfacht oder berufsbegleitend erlangen können. Gefordert sind am Ende schliesslich auch alle Unternehmen der Branche und ihre Mitarbeitenden. Sie sind die wesentlichen Botschafterinnen und Botschafter für unsere Berufe. Wenn sie mit Stolz von ihrer Arbeit erzählen, dann macht das einen gewaltigen Eindruck auf ein breites Umfeld – und macht vielleicht den einen oder die andere neugierig, mehr über eine Ausbildung und Karriere im Bauwesen zu erfahren.