30.10.2024
Wer Strassen schmäht, wird Stau ernten
Von Alexander Keberle, Bereichsleiter Energie, Infrastruktur & Umwelt, economiesuisse
«Wer Strassen säht, wird Verkehr ernten» lautet ein landläufiges Sprichwort der Gegner des Ausbaus der Autobahnen, über den die Bevölkerung am 24. November abstimmen wird. Doch die Strasse trotz Bevölkerungswachstums künstlich klein zu halten, kann auch keine Lösung sein.
Der geplante Ausbau der Nationalstrassen an sechs bekannten Nadelöhren lässt die Wogen hoch gehen. Vom «Autobahn-Wahn» sprechen die Gegner. Doch Fakt ist: Der Verkehr auf den Nationalstrassen ist seit 1990 mehr als fünfmal schneller gewachsen als die Nationalstrassen selbst (+139% vs. +25%). Die Nationalstrassen machen noch immer nur 3 Prozent aller Strassenflächen aus, bewältigen aber 45 Prozent des Verkehrs und entlasten damit das untergeordnete Strassennetz massiv. Der Verkehr steigt trotz, nicht wegen des (beschränkten) Ausbaus der Strassen.
Die Strasse wird spätestens 2050 ein «grünes» Verkehrsmittel sein, das wurde mit dem Klimaschutzgesetz so beschlossen und das zeigt sich bei den rapiden Fortschritten der Elektromobilität. Nationalstrassen sind mehr als dreimal flächeneffizienter (Personenkilometer pro Quadratmeter) als die Bahn, die übrigens auch an Kapazitätsgrenzen stösst. Das ist wichtig für die Biodiversität. Ein Punkt, der in der Debatte aber oft vernachlässigt wird, ist, dass auch Stau zusätzliche CO2-Emissionen verursacht. Gemäss Berechnungen des Bundesamts für Raumentwicklung führen Überlastungen auf dem gesamten Strassennetz zu Zeitverlusten von 73 Millionen Stunden (!) pro Jahr. Das kostet die Schweiz nicht nur fast 340 Franken pro Person, sondern hat auch Auswirkungen auf das Klima; nach neuen Schätzungen von economiesuisse konkret 140-250 Millionen Kilogramm CO2. Zum Vergleich: Das wäre etwa so, wie wenn wir ganz Basel nach New York fliegen lassen würden.
Das sind grobe Schätzungen. Aber klar ist: Staus sind schädlich. Staus sind Gift für die Wirtschaft, deren Kosten steigen. Sie sind Gift für die Nerven der Menschen, die Zeit verlieren, sei es im Job oder mit der Familie. Und sie sind auch Gift fürs Klima, da Autos länger im Strassennetz sind und das Mehremissionen verursacht.
Natürlich wird der Ausbau auch zu einem Mehrverkehr führen. Diesen vermögen die CO2-Einsparungen durch Stau auch zu kompensieren. Aber neben dem, dass es Kaffeesatzlesen ist, wie gross dieser Mehrverkehr sein wird, ist Mehrverkehr gesellschaftlich auch nicht nur schlecht. Er bedeutet vor allem, dass aktuell ein grösseres Bedürfnis nach Mobilität besteht als die Infrastruktur zu leisten vermag. Genau darum will man die Autobahnen ja ausbauen. Die meisten Menschen fahren nicht zum Spass, sondern weil sie es für die Arbeit oder anderweitige Verpflichtungen müssen. Von einem fehlenden Ausbau wären unter anderem gerade die Menschen betroffen, die vor hohen Mietkosten aus den Städten aufs Land flüchten, wo nicht gerade eine direkte S-Bahn Verbindung in die Stadt besteht. Es mutet daher zynisch an, die Strassen kleinhalten zu wollen, um die Menschen vom Autofahren abzuhalten.
Eigentlich ist der Ausbau der Autobahnen bei wachsendem Wohlstand und einer steigenden Bevölkerung relativ naheliegend. Doch er wird mit teils etwas skurrilen Argumenten bekämpft, wie zum Beispiel diesem: Wie es kein probates Mittel gegen Übergewicht sei, grössere Hosen zu kaufen, sei der Autobahnausbau kein probates Mittel gegen zu viel Verkehr. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen: Es ist auch keine Lösung, ständig in zu engen Hosen rumzulaufen.