Baustoffkreislauf: «Das Potential ist riesig»

06.03.2019

Die beiden Regierungsräte Sabine Pegoraro und Christoph Brutschin werden am 21. März die vom Gewerbeverband Basel-Stadt organisierte Impulstagung zum Thema Bauschuttrecycling, Deponieknappheit und Verwendung von Recyclingbaustoffen eröffnen. Im «kmu news»-Interview sprechen sie über die Hintergründe.

«kmu news»: Frau Pegoraro, Sie haben den Stein ins Rollen gebracht, indem Sie die Taskforce Baustoffkreislauf Regio Basel ins Leben gerufen haben. Was hat Sie dazu veranlasst?
Sabine Pegoraro: Recycling ist in vielen Bereichen gut etabliert. Nicht so im Bausektor: zu viele wertvolle Rückbaustoffe landen auf Deponien. Dadurch gehen Ressourcen verloren und knapper Deponieraum wird vergeudet. In der Bauwirtschaft sind also nicht die Abfallmengen, sondern der Umgang mit diesen Abfällen das Hauptproblem. Hier besteht Handlungsbedarf.
Christoph Brutschin: Das Bauwesen produziert die grössten Abfallmengen im Kanton. Dabei handelt es sich vor allem um mineralische Inertstoffe, die nicht weiter gefährlich sind für Mensch und Umwelt, aber auch nicht brennbar. Deswegen braucht es heute ein so grosses Deponievolumen. Statt sie zu deponieren, könnte ein grosser Teil der Mineralien zu neuen Baustoffen weiterverarbeitet werden. Das Potential für eine Kreislaufwirtschaft ist also gerade in der Baubranche riesig.

Frau Pegoraro, gibt es schon erste Erkenntnisse aus der Taskforce, wie die Situation entschärft werden kann?
Pegoraro: Wir müssen neue Wege gehen. Einerseits sind primäre Baustoffe wie zum Beispiel Kies und die Deponiegebühren in der Region Basel sehr günstig. Andererseits ist die Aufbereitung von Rückbaustoffen aufwändig und teuer und es werden zu wenige Recycling-Baustoffe nachgefragt. Aktuell analysiert die Taskforce diese Ausgangssituation und entwickelt mögliche Gegenmassnahmen. Es ist aber klar, dass es sich bei der Etablierung eines Baustoffkreislaufs um ein Generationenprojekt handelt.

Frau Pegoraro, was geschieht, wenn die Deponie Höli in zwei Jahren voll ist? Ist schon ein Ersatz in Aussicht?
Pegoraro: Es gibt im Kanton Basel-Landschaft nicht nur die Deponie Höli, aber es handelt sich dabei um die bedeutendste Deponie für Bauabfälle im Kanton. Bei zwei weiteren Deponien läuft derzeit das Verfahren zur Erweiterung und auch die Deponie Höli selbst soll erweitert werden. Zudem sollen weitere potenzielle Standorte auf Stufe Richtplan verankert werden – die entsprechende Landratsvorlage wird zurzeit erarbeitet.

Herr Brutschin, hat Basel-Stadt einen Plan B, was er mit seinem Bauschutt macht, wenn die Höli voll ist?
Brutschin: Die beiden Basel arbeiten in der Abfallwirtschaft schon seit Jahrzehnten eng zusammen. So hat man sich zum Beispiel darauf geeinigt, dass der Kanton Basel-Stadt die Kehrichtverbrennung für beide Kantone sicherstellt und der Kanton Basel-Landschaft im Gegenzug das Deponievolumen gewährleistet. Das Problem des knappen Deponieraums ist ein regionales, das wir regional lösen müssen.

Wie beurteilen Sie die politische Lage, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Bau- und Rückbaubereich anzupassen? Beispielsweise die Einführung einer Behandlungspflicht für Aushub, einer Lenkungsabgabe oder einer Abbruchbewilligung?
Pegoraro: Das heutige System in der Bauwirtschaft muss in einen funktionierenden Baustoffkreislauf transformiert werden. Dazu sind umfassende Massnahmen erforderlich, für welche rechtliche Grundlagen geschaffen werden müssen.
Brutschin: Das Potential ist riesig, weshalb wir geeignete Massnahmen aus der Taskforce aufnehmen und sofern nötig die gesetzlichen Rahmenbedingungen im üblichen politischen Prozess anpassen werden.

Ein Experte aus dem Kanton Zürich empfahl in dieser Zeitung, eine gesetzliche Pflicht zur Wiederverwertung von Rückbaumaterialien einzuführen. So würden die Recyclingkosten automatisch in den Rückbau eingerechnet, Recyclingmaterialien wären dadurch gleich teuer wie frische Materialien. Wird in diese Richtung gedacht?
Pegoraro: Das Modell des Kantons Zürich ist bekannt, aber die Situation ist nur teilweise vergleichbar mit jener der Region Basel. Beispielsweise verfügen wir kaum über eigene Kiesgruben und decken unseren Kiesbedarf kostengünstig im grenznahen Ausland.

Oft wird auf die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand verwiesen. In öffentlichen Ausschreibungen könnte die Maximalforderung gestellt werden, so viel Recyclingmaterial wie technisch möglich einzusetzen. Ist das in Zukunft vorgesehen?
Pegoraro: Die Ausschreibungen müssen weiterentwickelt werden, so dass – soweit technisch möglich und wirtschaftlich verhältnismässig – Recyclingbaustoffe zu Anwendung kommen.
Brutschin: Auch hier müssen wir gemeinsam vorgehen. Dies ist sicher auch ein Vorteil für die regional tätigen Baufirmen, wenn in beiden Kantonen die gleichen Regeln gelten.

Herr Brutschin, an der Hackbergstrasse in Riehen wurde verunreinigtes Recycling-Kofferungsmaterial verwendet, welches jetzt wieder ausgebaut werden muss. Wie will man in Zukunft die Qualität und Sicherheit der verwendeten Stoffe sicherstellen?
Brutschin: Die Produzenten von Recycling-baustoffen stehen in der Pflicht, hochwertige Sekundärbaustoffe zu produzieren, die der BAFU-Richtlinie vollständig entsprechen. In der Praxis hat es sich gezeigt, dass diese Eigenverantwortung nicht überall gleich wahrgenommen wird. Deswegen sind klare gesetzliche Vorgaben und auch Kontrollen nötig. Die beiden Basel erarbeiten derzeit chemische Qualitätsanforderungen für den Einsatz von Recyclingbaustoffen im Tiefbau. Verunreinigtes Material muss behandelt oder entsorgt werden. Wir möchten ja schliesslich keine neuen Probleme für die Zukunft generieren.

Herr Brutschin, im Industry Workshop des Projektes Circular Cities Switzerland, in welches auch Basel-Stadt involviert ist, wurde die Idee entwickelt, auf dem Wolf einen Leuchtturm in Sachen kreislauffähigem Bauen zu realisieren: Alle heute vor Ort verbauten Materialien sollen für die kommenden Bauvorhaben vor Ort recycelt und wiederverwendet werden. Wird Basel-Stadt das weiterverfolgen?
Brutschin: Das Areal Wolf ist sicher geeignet, neue Ansätze auszuprobieren. Schliesslich soll es ja das smarteste Areal der Schweiz werden und mit smart ist auch nachhaltig gemeint. Die Idee, Baumaterialien direkt vor Ort zu recyceln und wiederzuverwerten, finde ich gut. Das ist allerdings nicht neu, denn so wurden schon im Mittelalter Kirchen und Städte gebaut. Aber «Back to the Roots» ist da sicher nicht falsch und gilt in der heutigen Zeit schon wieder als innovativ.

Sie beide werden am 21. März die Impulstagung «Baustoffkreislauf Regio Basel» eröffnen. Was versprechen Sie sich von der Tagung?
Pegoraro: In erster Linie erhoffe ich mir eine rege Teilnahme und einen spannenden Austausch. Die Impulstagung soll einen Beitrag zur Etablierung des Baustoffkreislaufs Regio Basel leisten. Insbesondere ist es wichtig, dass das Gewerbe als Nachfrager von Baustoffen ins Boot geholt wird.
Brutschin: Kreislaufwirtschaft vor allem im Bauwesen kann einen sehr grossen Beitrag zur Abfallvermeidung und somit zur Reduktion der Umweltbelastung, aber auch zu Innovation und Wertschöpfung in unserer Region leisten

www.baustoffkreislauf.ch