Harmonisierung des Beschaffungsrechts: Stimmen aus den Branchenverbänden

22.02.2021

Der Gewerbeverband Basel-Stadt begrüsst die angestrebte Harmonisierung des schweizerischen Beschaffungsrechts auf Bundes- und Kantonsebene. In seiner Stellungnahme zum kantonalen Einführungsgesetz zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen fordert er jedoch den Verzicht auf unnötige Lohngleichheitskontrollen. Vielmehr sind die Beschaffungsprozesse mit Hilfe der Digitalisierung zu vereinfachen und zu entschlacken. Roland Hunkeler, Vizepräsident Gewerbeverband Basel-Stadt, Daniel Allemann, Vizepräsident Baumeister Region Basel und Beat Marrer, Präsident Suissetec Nordwestschweiz, reagieren auf die neue Gesetzgebung.

Roland Hunkeler, Vizepräsident Gewerbeverband Basel-Stadt

«Basel-Stadt ist beschaffungsrechtlich auf Kurs. Als einer der ersten Kantone wird er im Verlauf dieses Jahres ein totalrevidiertes Beschaffungsrecht in Kraft setzen, welches weitgehend mit dem Bundesrecht sowie  – wenn alles glatt läuft – mit den Beschaffungsgesetzen der übrigen Kantone harmonisiert sein wird. Das ist eine gute Nachricht für das Basler Gewerbe, denn es erhält dadurch Rechts- und Planungssicherheit und vereinfacht gerade für diejenigen Unternehmen die Arbeit, die sich in mehreren Kantonen um staatliche Aufträge bewerben. Das beste Gesetz ist jedoch nur so gut, wie es letztendlich umgesetzt beziehungsweise in der Praxis vollzogen wird. Und das gilt für das Beschaffungswesen ganz besonders. Vor übertriebenen Erwartungen muss deshalb gewarnt werden. Die ausschreibenden Stellen verfügen auch künftig über beträchtliche Freiheiten, was etwa die Definition und die Gewichtung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bei konkreten Aufträgen betrifft. Es braucht darum auch etwas Mut seitens der Auftraggeber, die Vorteile des neuen Gesetzes wirklich auszuspielen. Und auch was die Qualität der Planungsunterlagen – ein Dauerthema im Beschaffungsdialog – betrifft, wird sich nicht alles von heute auf morgen ändern. Qualitätskontrolle und -entwicklung bleiben ein vorrangiges Thema. Wichtig ist, dass sich der Geist der neuen Gesetzgebung auch auf die Praxis auswirkt. Zu begrüssen wären etwa gleichlautende Vollzugsrichtlinien in der ganzen Nord-westschweiz. Auch im Bereich der Digitalisierung liegt noch unglaublich viel Effizienzpotenzial brach. So müssen bei vielen auftraggebenden Stellen noch heute sämtliche Unterlagen sowohl in Papier- wie auch in elektronischer Form eingereicht werden, was schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäss ist. Und last but not least gilt es unbedingt zu vermeiden, das Beschaffungswesen weiter zu verbürokratisieren, so wie dies etwa in Form der umstrittenen Lohngleichheitskontrollen angedacht ist.»

 

Daniel Allemann, Vizepräsident Baumeister Region Basel

«Bessere Qualität erhalten, öffentliche Gelder effektiv in gute Projekte investieren und über Qualitätskrite-rien mehr Nachhaltigkeit bei öffentlichen Aufträgen erreichen, dies sind die erklärten Ziele der Gesetzesrevision. Um vom Preis- zu einem Qualitätswettbewerb zu ge-langen, müssen die Vergabestellen bei der Bewertung der Angebote entsprechende Kriterien breiter berück-sichtigen. Die Teilnahmeschwellen an die Anbieter sol-len verringert werden, um den Innovationswettbewerb zu fördern und neue Chancen für die Unternehmen zu eröffnen. Und die Vergabestellen sind gehalten, Dumpingangebote strenger zu prüfen, um gezielt gegen reine Tiefpreisangebote vorzugehen. Es ist anzustreben, dass die Beschaffungsstellen aller Stufen des Kantons (kantonale Verwaltung, staatsnahe Betriebe wie IWB, BVB, Universität, Spitäler etc.) identische Verfahren vorsehen und generell die gleichen Formulare, Beilagen etc. verwenden, damit das Ziel einer einheitlichen Anwendung der neuen Beschaffungsbestimmungen optimal erreicht werden kann.»

 

Beat Marrer, Präsident Suissetec Nordwestschweiz

«Lohngleichheitsnachweise gehören nicht als Kriteri-um ins Beschaffungswesen. Jedes Unternehmen kann hierzu über geeignetere und unbürokratischere Wege geprüft werden. Unsere Mitglieder berichten uns, dass es äusserst aufwändig ist, alle Löhne im Rahmen eines Logib-Verfahrens zu erfassen und einer Kategorie zu-zuteilen. Für viele Unternehmen bedeutet dies einen unnötigen Aufwand von mindestens 3 Tagen Arbeit. Ohne, dass dabei ein konkreter Mehrwert entsteht. Wichtig ist, dass bei künftigen Submissionen die qualitativen Kriterien in der Praxis richtig und messbar angewendet werden, zum Beispiel das Verhältnis der Anzahl Lernenden zu den Beschäftigten oder die Distanz zwischen Unternehmen und Baustelle als öko-logisches Kriterium. Die Qualität der Arbeiten und die Fachkompetenz der Projektleiter sollten ebenfalls mit-bewertet werden. Und schliesslich gehören vergleich-bare Referenzobjekte selbstverständlich auch dazu.»