Innovation: KMU entwickeln ultradünne Superwände

01.09.2017

Eine regionale Forschungsgemeinschaft von fünf KMU fabriziert zusammen mit dem Projekt ENERGIE IMPULSE Region Basel des Gewerbeverbandes Basel-Stadt ultradünne, mit Aerogel gedämmte Wandelemente. Im gleichen Pilotprojekt werden auch Vakuum-Fenster mit höchster Wärmedämmung entwickelt. Ein Werkstattbericht.

Ultradünne Hochleistungswände: Mitarbeiter der Renggli AG setzen Leichtbauwände zusammen, die halb so dick wie herkömmliche Elemente sind, aber mindestens gleich gut isolieren.

Die Wärmeerzeugung für Gebäude ist für einen grossen Teil des Energieverbrauchs – meist fossile Energie – verantwortlich. Mit einer guten Isolation der Fassaden und der Fenster lässt sich der Energieverbrauch massiv senken. Isolation braucht aber Platz. Um eine höhere Raumausnutzung zu ermöglichen, sind hochisolierende Fassadenteile sinnvoll, welche noch weniger Platz brauchen. Das ist besonders bei innerstädtischen Bauten mit hohen Grundstückspreisen interessant. Oder bei Aufstockungen, wenn die zusätzliche Etage nicht allzu schwer ausfallen darf.

KNOW-HOW ZUSAMMENFÜHREN

Das KMU-Team entwickelt gemeinsam neuartige Vakuumfenster (siehe letzte Ausgabe der «kmu news») und darauf abgestimmte hochisolierende Wandelemente. Für die Entwicklung der Wandelemente aus Holz ist die Firma Renggli AG verantwortlich. Gedämmt werden die Elemente mit Aerogelmatten der Firma AGITEC AG. Die ersten Prototypen werden an einem Gebäude der Dietrich Schwarz Architekten AG verbaut und getestet. Mit den daraus gewonnenen Daten werden die Wände weiter optimiert.

ISOLATION AUS FAST NUR LUFT

Aerogel gehört zu den porösesten Materialien überhaupt, dessen Volumen zu über 90 Prozent aus luftgefüllten Poren besteht. Da diese Poren lediglich einige Nanometer (Milliardstelmeter) gross sind, wird die Energieübertragung, welche über die Bewegung der Luftmoleküle stattfindet, extrem verringert. Das macht Aerogel zu einem der effizientesten Dämmstoffe. Ein Liter dieses Materials wiegt gerade einmal 70 bis 100 Gramm. Bisher wird Aerogel als Dämmputz für Sanierungen eingesetzt. Neu werden 10 Zentimeter dicke Matten für den Einsatz im Neubau zusammengesetzt. Sebastian von Stauffenberg (AGITEC AG): «Unsere Herausforderung war, mehrlagige Matten mit einer Gesamttoleranz von 0,5 mm herzustellen und in einem speziellen Verfahren passgenau zuzuschneiden.»

Spezialpressen erzeugen den Druck eines Lastwagens.

Aerogel, ein Hochleistungsdämmstoff aus der Raumfahrt.

INNOVATION IM SYSTEMBAU

Auch die Wandelemente werden völlig neu konzipiert. Andreas Keller, Leiter Engineering bei der Renggli AG, weist auf die speziellen Herausforderungen hin: «Je dünner die Wandelemente, desto grösser wirkt der Einfluss von möglichen Störungen.» Darum können wir Elemente, wie sie in der Holzständerbauweise traditionell hergestellt werden, nicht verwenden. Holz isoliert zu wenig und würde bei so dünnen Wänden als Wärmebrücke wirken.» Deshalb hat die Firma Renggli AG ein Sandwichsystem mit zwei tragenden Platten entwickelt, zwischen die das Aerogel eingeklemmt wird. Auch der Einsatz von Schrauben ist nicht möglich, weil Metall die Wärme zu gut leitet. Die Lösung liegt im Verkleben der Elemente.

Trotz ihrer Leichtigkeit müssen die Wandelemente stabil gebaut werden. Verschiedenste Materialien wurden untersucht. Schliesslich haben sich feinste Rippen aus Birkensperrholz bewährt, welche die Windlasten ableiten können. Diese werden in V-förmige Kerben geklemmt, welche von computergesteuerten Fräsen passgenau hergestellt werden.

ÄSTHETIK ALS ANSPRUCH

Alle Prototypen der Nullserie werden am künftigen Eigenheim von Professor Dietrich Schwarz getestet. Das Haus wir als Hybridbau realisiert. Das heisst, die Geschossdecken sind aus Beton, die Gebäudehülle kommt in Holzbauweise daher. Speziell an diesem Bau ist, dass die Betondecken nicht wie herkömmlich auf Stahlstützen – sondern auf Holzstützen stehen. Diese Eichenstützen gelten als gestalterisches Element und werden freistehend im Raum sichtbar sein.

Das Projekt: Ultradünne Wandelemente

Das Bundesamt für Energie BfE unterstützt das Projekt mit 1,1 Millionen Franken im Rahmen ihres Pilot- und Demonstrationsprogramms. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch das Institut Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule. Projektdauer: Dezember 2016 bis Februar 2019.

Das Projektteam:

  • Gerber-Vogt AG (Fensterbau)
  • GlassX AG (Vakuumglas)
  • Dietrich Schwarz Architekten AG (Nullserie)
  • Renggli AG (Holzelementbau)
  • AGITEC AG (Dämmung Aerogel)
  • Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau (wissenschaftliche Begleitung)
  • Koordination: Martin Gruber, Projektleiter ENERGIE IMPULSE Region Basel