KMU entwickeln das Fenster der Zukunft
Eine regionale Forschungsgemeinschaft von fünf KMU entwickelt zusammen mit dem Projekt ENERGIE IMPULSE Region Basel des Gewerbeverbandes Basel-Stadt leichte Fenster mit höchster Wärmedämmung. Im gleichen Pilotprojekt werden auch ultradünne, mit Aerogel gedämmte Wandelemente fabriziert. Wir geben hier Einblick in die Werkstätten.
Was hat eine Thermoskanne mit einem Schiebefenster gemeinsam? Bisher eigentlich gar nichts. Aber das wird sich ändern. In beiden steckt ein einfaches, aber geniales technisches Prinzip. Wenn nun beide Techniken geschickt kombiniert werden, könnte das künftig das Bauen und Wohnen nachhaltig verändern.
Bei Thermoskannen verhindert ein Vakuum zwischen zwei dünnen Scheiben, dass die Wärme im Inneren nach aussen geleitet wird. So könnten in Zukunft auch die Fensterscheiben funktionieren. Statt schwerer Dreifachgläser mit einer Edelgasfüllung sorgt ein Vakuum zwischen zwei dünnen Glasscheiben für hervorragende Isolation.
REGIONALE ARBEITSGEMEINSCHAFT
Eine regionale Forschungsgemeinschaft mit fünf KMU und ENERGIE IMPULSE Region Basel des Gewerbeverbandes Basel-Stadt hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Technologien zusammenzuführen und bis zur Marktreife weiterzuentwickeln. Die Kriterien: Die Fenster sollen dünn und hochisolierend sein, der Rahmen elegant und der Schiebemechanismus federleicht und trotzdem absolut dicht, wenn das Fenster geschlossen ist.
ERSTE TESTS
Die Firma GlassX im Team testet aktuell die Vakuumgläser auf ihre Wärme-Leitfähigkeit. Vakuumfenster gibt es auf dem Markt, aber sie erfüllen noch nicht alle Bedingungen für den Schweizer Markt. Neben der direkten Leitfähigkeit müssen die Gläser möglichst viel des unsichtbaren Lichts im Infrarotbereich reflektieren, gleichzeitig aber das sichtbare Licht durchlassen. Zum Vergleich: Thermoskannen sind innen ganz verspiegelt, was für Fenster natürlich nicht geht. An dieser so genannten «Low-E Schicht» arbeitet GlassX zusammen mit den Glasherstellern.
Die Firma Gerber-Vogt AG hat ein elegantes Schiebefenster mit einem federleichten Schiebemechanismus entwickelt. Vorbei sind die Zeiten komplizierter Bedienung und schwerer Hebel. Das ist gerade im alltäglichen Einsatz ein wichtiger Aspekt des Komforts. Schiebefenster haben zudem den grossen Vorteil, dass sie geöffnet werden können, ohne in den Raum zu stehen. Das erlaubt eine bessere Ausnutzung des Raumes und bietet mehr Sicherheit, was gerade in Bürogebäuden, Schulhäusern oder Altersheimen erwünscht ist.
Jetzt wird die Kombination mit Vakuumgläsern getestet und vorangetrieben. «Fenster müssen Windlasten bis 100 kg/m2 aushalten», sagt Stefan Rogantini, Entwickler bei Gerber-Vogt AG. Das gilt natürlich auch für die dünneren Vakuumgläser. «Der Test an einem kleinen Musterfenster war erfolgreich. Aber wie es mit grossen Flächen aussieht, wissen wir im Moment noch nicht; wir warten auf die Lieferung der grossen Scheiben.»
ÄSTHETIK ALS ANSPRUCH
Professor Dietrich Schwarz ist bereit, die ersten Prototypen in seinem künftigen Eigenheim einzubauen. Für ihn als Architekten und Professor für Nachhaltiges Bauen, Uni Lichtenstein, wird Energieeffizienz nur in Kombination mit einem hohen ästhetischen Anspruch Chancen am Markt haben. Deshalb seien Rahmen aus Holz oder zumindest mit Holz verkleidet für den gehobenen Anspruch unerlässlich. Holz bereitet gerade in Wohnbauten eine gewisse Behaglichkeit und ist ein nachwachsender Rohstoff. Deshalb stellen die Holzrahmen einen ersten klugen Zwischenschritt auf dem Weg zu hochisolierten Rahmen an Verbundwerkstoffen dar.
Wie schwierig es ist, die vielen Anforderungen in der Praxis umzusetzen, zeigt sich zum Beispiel im Fensterrahmen: In der Mittelpartie, wo die weiche Isolation sein muss, treten die grössten Windlasten auf. Deshalb drängt sich wohl eine Kombination verschiedener Werkstoffe auf; sogenannte Verbundquerschnitte. Michael C. Gerber, CEO von Gerber Vogt AG, zeigt sich optimistisch: «Wenn wir die gewünschten Verbundquerschnitte nicht finden, werden wir diese halt selber entwickeln müssen.»
PILOTPROJEKT
Das Bundesamt für Energie (BfE) unterstützt das Projekt mit 1,1 Millionen Franken im Rahmen seines Pilot- und Demonstrationsprogramms. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch das Institut Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule. Projektdauer: Dezember 2016 bis Februar 2019.
Weiteres Projekt: Ultradünne Wandelemente Gleichzeitig entwickelt das KMU-Team ultradünne Fassadenteile mit Aerogel. Aerogel ist ein Hochleistungsdämmstoff, welcher ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt wurde. Mehr zu diesem Thema in einer der nächsten «kmu news»-Ausgaben. Das Projektteam: Martin Gruber |