Neuer Standort – und alles wurde hinterfragt

21.09.2021

Die Firma Werner Druck & Medien AG stand vor der Frage: Sanieren des alten Standorts oder Umzug? Geschäftsführer und Inhaber Roger Kessler entschied sich für den Umzug. Dabei wurden auch alle Abläufe und Produktionsprozesse angeschaut und konsequent hinterfragt. Das Ergebnis: Der Stromverbrauch wurde mehr als halbiert.

Roger Kessler, Inhaber Werner Druck & Medien AG

33 Mitarbeitende, darunter vier Lernende, beschäftigt Roger Kessler. Bis vor zwei Jahren war seine Firma Werner Druck & Medien AG an der Kanonengasse in einem Basler Wohnquartier domiziliert. Keine einfache Situation. Nachts konnten zum Beispiel aufgrund des Lärms der Druckmaschinen die Fenster nicht geöffnet werden – deshalb brauchte es im Gebäude eine Klimaanlage. Als die Anlagen ihr Lebensende erreichten, standen Investitionen in neue Druckmaschinen an. Zuerst wollte Roger Kessler zwei alte Druckmaschinen durch eine neue Anlage am alten Standort ersetzen. Aber dann stellte er sich die Frage: «Verpassen wir damit nicht eine Chance, mehr in die Zukunft zu schauen und effizienter zu produzieren?» Und so machte sich die Firma auf die Suche nach einem neuen Standort und wurde am Leimgrubenweg im Basler Dreispitz fündig. Im März 2019 fand der Umzug statt.

ANALYSE DES PRODUKTIONSABLAUFS UND DER AUFTRAGSSTRUKTUR

Ein neuer Standort birgt natürlich viel Potenzial, um Strom und Wärme einzusparen. «Dazu gehören eine moderne Elektrik und Leitungen zur Eliminierung des Blindstroms sowie eine neue LED-Beleuchtung mit mehr Tageslicht», erklärt Roger Kessler. «Die Klimaanlage am alten Standort war ein Stromfresser – hier brauchen wir das nicht.» Aber fast noch wichtiger war etwas anderes: «Wir haben den Umzug ins neue Gebäude auch zum Anlass genommen, unseren ganzen Produktionsablauf und unsere Auftragsstruktur zu ana-lysieren», erklärt Roger Kessler. «Überall haben wir uns gefragt: Brauchen wir das? Können wir das effizienter machen?»

OHNE LACKWERK, DAFÜR MIT MEHR KOOPERATIONEN

Eine Konsequenz dieser Überlegungen war, dass die neue Druckmaschine über kein Lackwerk mehr verfügt. «Früher liefen die zwei Lackwerke immer mit – ein unnötiger Verbrauch von Strom und Ressourcen», berichtet Kessler. Der Einsatz von Dispo-Lack wird bei Druckaufträgen oft verwendet, um die Trocknung zu beschleunigen. «Erstens braucht es dafür Unmengen an Lack, was auch aus Umweltschutzsicht nicht gut ist; zweitens verbrauchen die Infrarot- und Heisslufttrockner viel Strom; und drittens ist der Einsatz von Lack oft einfach unnötig», erklärt Roger Kessler. Bei den meisten Aufträgen kommt die Firma heute ohne den Einsatz von Dispo-Lack bestens klar. «Wir arbeiten mit speziellen Zusätzen und optimierten Farb-Wasser-Mischungen – das klappt tipptopp und ohne Qualitätseinbussen.» Zudem sind die Möglichkeiten des Digitaldrucks massiv gestiegen. Und wenn die Firma Werner Druck doch explizit Dispo-Lack-Aufträge erhält, dann erledigt sie diese in Kooperation mit anderen Druckereien. «Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, dass wir mit unseren Maschinen alles abdecken müssen», erklärt Roger Kessler. Mit den alten Maschinen konnten 100 Prozent der Aufträge abgewickelt werden. «Nach der Analyse der Auftragsstruktur kamen wir zu folgendem Schluss: Wir müssen die passende Maschine für 80 Prozent unserer Aufträge haben. Den Rest decken wir mit Kooperationen ab.» Es sei nicht nötig, dass alle immer alles selbst machen.

FREQUENZGESTEUERTE DRUCKLUFTKOMPRESSOREN

Beim Rundgang durch die Druckerei fallen noch weitere Massnahmen auf, welche den Energieverbrauch reduzieren. So zeigt uns Roger Kessler die Kompressoren für die Druckluft. Früher gab es einen einzigen grossen Kompressor, heute sind es vier kleine, frequenzgesteuerte Maschinen, welche ihre Leistung langsam hochfahren. Weiter geht es unter anderem an Bewegungsmeldern vorbei, welche verhindern, dass ungenutzte Teile der Produktionshallen unnötig beleuchtet werden, und am neuen Recyclingsystem.

100 000 FRANKEN WENIGER STROMKOSTEN

Dank aller Massnahmen konnte die Werner Druck & Medien AG den Stromverbrauch – der mit Abstand grösste Kostenblock – mehr als halbieren. «Von 756 000 Kilowattstunden pro Jahr auf 335 000 Kilowattstunden», berichtet Roger Kessler. Somit ist die Firma von der Grossverbraucherliste weggekommen, die für Unternehmen mit mehr als 500 000 Kilowattstunden pro Jahr gilt. Finanziell bedeutet das: 100 000 Franken weniger Stromkosten – jedes Jahr. Dazu kommen weitere Einsparungen. Früher wurden beispielsweise pro Woche 1000 Liter Lack verwendet. Diese fallen nun auch bei den Material- und den Entsorgungskosten weg. «Der ökologische Gedanke ist wichtig», betont Roger Kessler. Als Unternehmer habe ich aber auch generell den Anspruch, unnötige und ineffiziente Produktionsschritte zu eliminieren.

DAS SAGT DER ENERGIEBERATER

Flurin Buchholz-Baltermia, Leiter Energieberatung IWB

Das Beispiel von Werner Druck zeigt eindrücklich, wie vielschichtig das energetische Optimierungspotenzial in Betrieben sein kann. Beim Orten von Einsparungspotenzial ist der «Blick von aussen» eines erfahrenen Energieberaters wertvoll. Der Case von Werner Druck zeigt dafür ein paar interessante Ansatzpunkte:
Zeitpunkt: Es ist nicht nur relevant, wo und wie Energie verbraucht wird, sondern auch wann. So verändert sich beispielsweise bei schall- und wärmeintensiven Prozessen der Energiebedarf je nach Tages- und Jahreszeit. Zudem entfallen unnötige Energieverbräuche, die etwa durch das aktive Wegkühlen von Abwärme anfallen würden.
Kooperationen und Prozesse: Durch Kooperationen und Materialoptimierungen auf Lackwerke zu verzichten, zeugt von Weitsicht. Energieverbrauch und -kosten lassen sich deutlich senken, wenn energieintensive Maschinen durch gute Arbeitsvorbereitung nur dann laufen, wenn sie benötigt werden. Um geeignete Optimierungsvorschläge machen zu können, lernt der Energieberater Prozesse und Abläufe verstehen. Es gibt keine Blaupause, die pauschal auf alle Unternehmen angewendet werden kann. Sowohl die Ist-Aufnahme als auch die Entwicklung geeigneter Massnahmen erfolgen für jedes Unternehmen individuell.
Zukunft: Der Blick in die Zukunft ist essenziell. Eine angestrebte Kapazitätssteigerung der Produktion beispielsweise muss bei der Definition von energietechnischen Massnahmen miteinbezogen werden.

www.iwb.ch/energieberatung