Wohnraumfördergesetz: Kompromiss statt Radikalforderung

14.10.2020

Am 29. November stimmt Basel-Stadt über das revidierte Wohnraumfördergesetz ab. Regierungsrat und Grosser Rat stehen hinter dem Kompromiss – ebenso der Gewerbeverband Basel-Stadt und Branchenverbände. «Bei einem Nein wäre man zurück auf Feld 1», warnt Andreas Zappalà, FDP-Grossrat und Geschäftsführer des Hauseigentümerverbandes Basel-Stadt.

Wie ist das revidierte Wohnraumfördergesetz, über das Basel-Stadt Ende November abstimmt, politisch einzuordnen?
Andreas Zappalà: Dafür müssen wir etwas zurückblenden. 2014 hat die Basler Stimmbevölkerung Ja gesagt zum Wohnraumfördergesetz. Damit wurde einerseits der Abbruchschutz gelockert, andererseits der genossenschaftliche Wohnungsbau gefördert. Obwohl das austarierte Gesetz breit abgestützt war, wurden vom Mieterverband und Rot-Grün vier Initiativen zur Verschärfung der Wohnraumpolitik lanciert. Eine davon ist die Wohnschutz-Initiative «Wohnen ohne Angst vor Vertreibung»; alle vier wurden 2018 angenommen.

Im revidierten Wohnraumfördergesetz ist nun festgehalten, dass der bezahlbare Wohnraum geschützt werden soll.

Die Regierung hat eine vernünftige Umsetzung dieser Initiative vorgeschlagen. Der Grosse Rat hat diese mit leichten Anpassungen abgesegnet. Warum wurde trotzdem das Referendum ergriffen?
Im Kern geht es um die Frage, wie gross der Anteil der Wohnungen ist, welche von den Einschränkungen betroffen ist. Rot-Grün sowie der Mieterverband hätten gerne alle Wohnungen «geschützt». Zudem hätte der Staat ein Vorkaufsrecht erhalten sollen, wenn in einem Wohnhaus mit mindestens zwei Wohnungen ein Mietobjekt in Stockwerkeigentum umgewandelt wird. Der Regierung und der Mehrheit des Grossen Rats ging das entschieden zu weit. Der Initiative ging es um den Erhalt und Schutz von günstigem Wohnraum, also um die Verhinderung vor Vertreibung infolge von Kündigungen oder Mietzinserhöhungen. Im revidierten Wohnraumfördergesetz ist nun festgehalten, dass der bezahlbare Wohnraum geschützt werden soll. Dieser umfasst jeweils die 50 Prozent günstigeren Wohnungen. Es braucht keinen Schutz für Wohnraum, wo kein Schutzbedürfnis besteht. Es ist der richtige Weg, nur den bezahlbaren Wohnraum zu schützen. Denn es braucht auch teureren Wohnraum für Besser-Verdienende. Ein weiterer Streitpunkt ist die Bewilligungspflicht von Umbauten. Der Grosse Rat hat diese gegenüber der Regierungsratsvorlage entschärft und diese auf Fälle beschränkt, bei welchen das Mietverhältnis gekündigt wird. Ohne Kündigung erfolgt keine Vertreibung, weshalb diese Lösung durchaus mit der Initiative übereinstimmt.

Die heutige Wohnraumpolitik wird mit dem revidierten Gesetz verschärft. Warum stehen Sie trotzdem dahinter?
Weil mit dem Gesetz der Verfassungsartikel umgesetzt wird – und weil die Umsetzung den Absichten der Initiative entspricht. Wir respektieren den Volksentscheid, welcher eine Verschärfung verlangt. Mit der beschlossenen Gesetzesänderung ist dieser umgesetzt worden. Aber es ist richtig: Es wird auch mehr Einschränkungen geben, welche auch das Gewerbe betreffen, da Sanierungen und Umbauten komplizierter werden. So ist die Formulierung unklar, was genau ein bewilligungspflichtiger Umbau ist. Trotzdem werden mit dem revidierten Wohnraumfördergesetz die Wohnbautätigkeit und der Wohnungsmarkt nicht abgewürgt. Mit einem Ja zum revidierten Wohnbaufördergesetz geht es deshalb auch darum, etwas Schlimmeres zu verhindern.

In Genf kann man gut beobachten, was zu starke, staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt bewirken. Wir dürfen in Basel-Stadt nicht die gleichen Fehler machen.

Was wären die Konsequenzen, wenn der radikale Umsetzungsvorschlag von Rot-Grün und dem Mieterverband Erfolg gehabt hätte?
Die Wohnbautätigkeit würde stark zurückgehen, da Investoren in andere Kantone ausweichen würden. Der Mangel an neuen Wohnungen würde mittelfristig auch zu einer Erhöhung des gesamten Mietzinsniveaus führen. Die Bausubstanz würde sich verschlechtern, da weniger renoviert und saniert werden würde. In Genf kann man gut beobachten, was zu starke, staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt bewirken. Wir dürfen in Basel-Stadt nicht die gleichen Fehler machen.

Obwohl die Abstimmung über das Referendum noch bevorsteht, hat der Mieterverband bereits die nächste Initiative «Ja zu echtem Wohnschutz» lanciert. Wie beurteilen Sie diese?
Die Forderungen sind sehr radikal. Das Vorkaufrecht des Staates bei einer bewilligungspflichtigen Umwandlung in Stockwerkeigentum ist als Forderung enthalten, zudem wäre der gesamte Wohnungsmarkt von den Einschränkungen betroffen. Es würde für alles eine Bewilligung brauchen. Die Initiative kommt zum schlechtesten Zeitpunkt. Überall wird derzeit gebaut. Mit solch radikalen Forderungen sendet man ein gefährliches Signal an Investoren. Gerade in Basel ist man in wenigen Minuten in einem Kanton, wo die Einschränkungen nicht gelten. Investoren würden ihre Projekte dann in der Agglomeration oder anderen Kantonen realisieren.

Was ist, wenn am 29. November das revidierte Wohnraumfördergesetz scheitert?
Dann wären wir wieder zurück auf Feld 1. Dann hätte immer noch das Gesetz von 2014 seine Gültigkeit. Man würde dann vermutlich die Abstimmung über die neue Initiative des Mieterverbands abwarten. Allerdings würde dann die Wahrscheinlichkeit für neue, radikale Eingriffe in den Wohnungsmarkt steigen. Und das hätte nicht nur für die Wirtschaft und das Gewerbe, sondern auch für die Bevölkerung negative Konsequenzen.