«Zuschlagskriterien werden für Firmen besser kalkulierbar»

04.06.2019

Öffentliche Vergaben sorgen immer wieder für Gesprächsstoff. Die Leiterin der kantonalen Fachstelle für öffentliche Beschaffungen, Luana Huber, erklärt im Interview, welche Neuerungen geplant sind und was die konkreten Herausforderungen im Beschaffungswesen sind.

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«kmu news»: «KFöB» steht für Kantonale Fachstelle für öffentliche Beschaffungen des Kantons Basel-Stadt. Was sind die Kernaufgaben dieser Fachstelle?
Luana Huber: Die KFöB ist zuständig für die Koordination und die Durchführung von Verfahren im Zusammenhang mit der Vergabe von Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträgen. Ziel unseres Auftrages ist die einheitliche, transparente und effiziente Umsetzung von Beschaffungsvorschriften. Früher waren wir nur für Vergaben des Bau- und Verkehrsdepartements zuständig. Heute laufen alle grossen kantonalen Vergaben über uns, damit einheitliche Standards sichergestellt werden können. Kleinere Vergaben und Submissionen im Einladungsverfahren werden aber nach wie vor über die einzelnen Dienststellen abgewickelt.

Gibt es bei Vergaben im Einladungsverfahren Vorgaben? Zum Beispiel bezüglich des Standorts der Unternehmen?
Vorgaben gibt es beispielsweis in Bezug auf das Auftragsvolumen, das bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten darf. Bezüglich des Standorts gibt es keine gesetzlichen Vorschriften, grundsätzlich sind die Vergabestellen frei in der Firmenwahl. Nur die Anzahl ist mit fünf Firmen und sieben Firmen im Bauhauptgewerbe ab 250 000 Franken vorgeschrieben. Im Bau- und Verkehrsdepartement haben wir den Grundsatz, lokale und regionale Unternehmen einzuladen, wenn es im Bereich des Möglichen liegt.

Wie hoch ist der Anteil an Aufträgen, der an ausländische Unternehmen geht?
Das Auftragsvolumen bleibt primär in der Region, das heisst, in Basel-Stadt und Baselland. Aufträge an ausländische Firmen kommen selten vor. Am ehesten geschieht dies in spezifizierten Branchen. Ein Beispiel dafür ist die Bühnentechnik.

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Anzahl Vergaben KFöB nach Regionen

Ab Juni wurde ein neues Preisbewertungs-modell bei öffentlichen Vergaben eingeführt. Was ändert sich konkret?
Technisch gesprochen geht man weg von einer Preiskurve zu einer Preislinie. Konkret heisst das, dass man neu neben der Wirtschaftlichkeit auch andere Kriterien stärker gewichten kann. Das bisherige Basler Bewertungsmodell ist ursprünglich aus der Basler Baubranche heraus entstanden. Es stellt die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund: Je tiefer die Gewichtung des Preises, desto stärker fällt der Preis aber bei der Gesamtbewertung ins Gewicht, und je grösser die Abweichung des günstigsten Angebots zum Schwellenwert der Ausschreibung, desto steiler fällt die bisherige Preisbewertungskurve aus. Das macht die Einschätzung des Einflusses der Zuschlagskriterien im Konkreten für die Offertsteller schwierig, weil die eingegebenen Preise im Voraus ja nicht bekannt sind. Mit dem neuen linearen Modell wird dies aber einfacher: Die effektive Gewichtung, beziehungsweise der Kurvenverlauf ist dann unabhängig vom Preisniveau, das heisst, unabhängig davon, ob es sich um einen grossen oder einen kleinen Auftrag handelt.

Wie sieht die konkrete Umsetzung aus?
Ab dem 1. Juni wird bei den öffentlichen Ausschreibungen das neue Preismodell angewendet. Es gibt aber eine Übergangsfrist. Das heisst, Ausschreibungen, die vor dem 1. Juni gestartet wurden, werden noch nach dem alten Modell abgewickelt. Das neue Preisbewertungsmodell ist online zugänglich. Offertsteller können dort die verschiedenen Parameter definieren. Da bei der Gewichtung keine Abhängigkeiten mehr zum Preisniveau bestehen, ist der Einfluss der Zuschlagskriterien auf die einzelnen Submissionen für Unternehmen besser kalkulierbar.

Oft werden Ausschreibungen nach dem Kriterium «100 Prozent Preis» vergeben. Ist es ein Ziel, auch andere qualitative Kriterien stärker zu gewichten?
Im Baubereich ist das Preiskriterium noch weit verbreitet. Es gibt zwar keine entsprechende Weisung von unserer Seite, aber mit dem neuen Berechnungsmodell haben wir die Grundlage für die vermehrte Integration qualitativer Kriterien geschaffen. Zum Beispiel für ökologische Kriterien. Wichtig ist, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Überprüfbarkeit eingehalten werden. Auch für den Fall, dass ein Vergabeentscheid juristisch angefochten wird. Zu beachten ist auch, dass qualitative Kriterien zu aufwändigeren, komplexeren Ausschreibungen führen.

Auch wenn ein Grossteil der Aufträge in der Region bleibt, gibt es immer wieder Fälle von ausländischen oder Tessiner Firmen, die mit dem billigsten Angebot Aufträge ergattern, bei der Auftragserledigung aber überfordert sind. Die Folgen sind Verspätungen und Mehrkosten, wie beim Theater Basel oder beim Biozentrum. Was läuft da schief?
Vergaberechtlich ist es nicht erlaubt, ausserkantonale oder ausländische Unternehmen von Submissionen auszuschliessen, welche dem WTO-Abkommen unterliegen. Einen Spielraum gibt es bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien. Aber bei Bauprojekten passiert immer Unvorhersehbares, deshalb ist es schwierig, Probleme wie bei den genannten Projekten von vorneherein auszuschliessen. Aber natürlich analysieren wir problematische Submissionen und überlegen uns, was wir künftig besser machen können.

Verstehen Sie den Unmut von regionalen Unternehmen, wenn ausländische Unternehmen wegen des Preiskriteriums zum Zug kommen, dann die Qualität der Arbeit aber nicht stimmt?
Natürlich, es ist aber eine Problemstellung mit vielen Facetten. Wir machen immer wieder die interessante Erfahrung, dass regionale Firmen gerne eine möglichst hohe Gewichtung des Preises haben – ausser dann, wenn sich eine ausländische Firma mitbewirbt. Ich möchte aber betonen, dass nur ein sehr kleiner Teil der Aufträge ins Ausland geht, nämlich gerade 1,08 Prozent im 2017.

Grossrat Stephan Mumenthaler fordert, dass die Papierflut im Beschaffungswesen reduziert werden soll. Welche Massnahmen sind geplant?
Es ist so, dass der administrative Aufwand im Beschaffungswesen zunimmt. Auch wir als Fachstelle müssen immer mehr begründen und rechtfertigen. Das darf nicht überborden. Wir nehmen die Forderung des Vorstosses gerne auf. Wir möchten die Frage aber breiter angehen und über alle Dienststellen der Verwaltung analysieren: Welche Dokumente werden von wem für was eingefordert? Hier gibt es noch viel Potenzial zur Harmonisierung. Die KFöB ist schon relativ weit; wir fordern nur zwei Bestätigungen standardmässig ein.

Was ist der Zeithorizont bei der Umsetzung?
Zum Beispiel, ob Ausschreibungsunterlagen aufgesplittet werden können in einen allgemeinen, je nach Auftrag variablen Info-Teil, und in einen auftragsspezifischen Teil für die eigentliche Offerte. Somit bräuchten Unternehmen bei Offertstellung nicht immer sämtliche Unterlagen zurückzusenden. Bei anderen Massnahmen wie der elektronischen Offerteingabe müssen wir warten, bis die Revision der Interkantonalen Vereinbarung über öffentliche Beschaffungen (IVöB) abgeschlossen ist und wir wissen, wie es mit der Erneuerung der nationalen elektronischen Beschaffungsplattform Simap weitergeht.