04.06.2024

«Das Gesetz verfehlt offensichtlich sein Ziel»
Der Genfer Immobilienexperte Thierry de Haan bezeichnet das Genfer Gesetz über den Abbruch, Umbau und die Renovation von Wohnhäusern als völlig missglückt. Das Basler Wohnschutzgesetz baut auf diesem auf.
Seit der Einführung des Gesetzes über den Abbruch, Umbau und die Renovation von Wohnhäusern ist es in Genf kaum noch möglich, ertragreiche Sanierungen durchzuführen. Dies sagt Thierry de Haan, Präsident des Genfer Immobilienhändlerverbands Union Suisse des Professionels de l’Immobilier (USPI). Aus Basler Sicht sind die Genfer Erfahrungen alarmierend.
«kmu news»: Thierry de Haan, welches sind die grössten Herausforderungen, denen sich der Immobiliensektor aufgrund des Gesetzes gegenübersieht?
Thierry de Haan: Die grösste Herausforderung besteht darin, die Eigentümerinnen und Eigentümer zur Sanierung von Mietobjekten zu motivieren, da die Ertragsfähigkeit dieser Investitionen durch das Gesetz stark eingeschränkt ist. Dies gilt insbesondere, weil die Mieten nach einer Sanierung nur beschränkt angepasst und Mietwohnungen nicht als Stockwerkeigentum verkauft werden dürfen.
Inwiefern beeinflusst das Gesetz die Strategien zur Entwicklung und Verwaltung von Immobilien in Ihrem Unternehmen?
Für Immobilienagenturen bedeutet die Tatsache, dass sie für praktisch jede Arbeit eine Bewilligung einholen müssen, einen beträchtlichen Anstieg des Verwaltungsaufwands. Dies bringt auch Kosten mit sich, die nicht immer den Kunden in Rechnung
gestellt werden können. Es muss ferner darauf hingewiesen werden, dass das Einholen von Bewilligungen regelmässig auch Verpflichtungen zur Anpassung an Baunormen mit sich bringt, was wiederum zusätzliche Arbeiten nach sich zieht.
Welche konsequenten Auswirkungen hat das Gesetz auf Investitionsentscheidungen?
Die Unmöglichkeit, sowohl Abriss-/Wiederaufbau- als auch Renovierungsarbeiten kurzfristig und zufriedenstellend zu amortisieren, stellt ein Investitionshemmnis dar. Das ist offensichtlich. Allerdings ist der Wohnungsmarkt in Genf seit vielen Jahren so angespannt, dass der Risikofaktor begrenzt ist. Darum können derart niedrige Renditen «in Kauf genommen» werden.
Wie sieht es aus mit dem administrativen Aufwand in Bezug auf Neuvermietungen?
Die Verfahren verlängern die Fristen für die Neuvermietung im Falle einer Renovierung erheblich. Tatsächlich dauert es etwa zwei Monate, bis die Genehmigung für den Beginn der Arbeiten erteilt wird, einschliesslich der Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln. Dies führt zusammen mit der Zeit, die für die Durchführung der Arbeiten benötigt wird, zu einem erheblichen Mietausfall. Es ist auch wichtig zu betonen, dass die Mieten von Wohnungen, die seit vielen Jahren bewohnt werden, kaum steigen und bei weitem nicht mit der Teuerung Schritt halten. Es ist daher unerlässlich, dass die Eigentümerschaft die Möglichkeit hat, die Mieten bei einem Mieterwechsel nach Renovierungsarbeiten anzupassen, zumindest um die Entwicklung der Nebenkosten zu decken und vorwegzunehmen.
Wie hat sich das Gesetz im Allgemeinen im Laufe der Jahre auf den Immobilienmarkt ausgewirkt?
In den 1990er Jahren zogen sich die Investoren massiv aus dem Genfer Markt zurück. Die Auswirkungen auf den Immobiliensektor waren katastrophal. Das Gesetz war weitgehend die Ursache dafür. Ein hohes Mietrisiko in Verbindung mit zu niedrigen Renditen vertragen sich nicht gut. Im Übrigen gehören die Genfer Mieten zu den teuersten in der Schweiz. Das Gesetz verfehlt offensichtlich sein Ziel, einen Mietwohn-
ungsbestand zu erhalten, der den überwiegenden Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht.
Welche langfristigen Folgen sind zu erwarten?
Langfristig ist auf einem ausgeglichenen oder sogar entspannten Mietmarkt mit einer mangelnden Renovierung des Immobilienbestands zu rechnen. Nebenbei bedeutet dies auch weniger Aufträge für die in diesen Sektoren tätigen KMU.
Welche Änderungen des Gesetzes könnten die Interessen der Vermieter besser ausgleichen und gleichzeitig den Schutz der Mieter gewährleisten?
Ich denke, dass eine Selbstregulierung des Markts effektiver wäre, sofern eine gute Antizipation der Bedürfnisse stattfindet. Es wäre daher unerlässlich, bei der Festlegung der Mieten im Hinblick auf eine Neuvermietungen nach Renovierungsarbeiten zumindest die Entwicklung der Nebenkosten berücksichtigen zu können. Heute ist die Mietobergrenze während des Kontrollzeitraums zweifellos viel zu niedrig.
Das Interview wurde schriftlich und auf Französisch geführt.
Wohnschutz in Genf
Das Genfer Gesetz über den Abbruch, Umbau und die Renovation von Wohnhäusern (loi sur la démolition, transformation, rénovation, changement d’affectation et aliénation immeubles de logements et appartements) ist seit 1996 in Kraft. Das Gesetz reguliert die Mietzinsaufschläge für Wohnungen und ist vergleichbar mit dem Basler Wohnschutz. Die Mieten in vielen Wohnungen, die vom Gesetz betroffen sind, sind niedrig. Dies führt jedoch dazu, dass Eigentümer weniger in die Instandhaltung investieren, weshalb es viele unsanierte Wohnungen im Kanton Genf gibt. Die geringe Mieterfluktuation und hohe Mieten für Neubauten sorgen für eine zunehmende Zweiteilung des Wohnungsmarktes. Das Genfer Gesetz ist ein Beispiel dafür, dass regulatorische Massnahmen eher zu einer Überalterung des Gebäudestandards führen, anstatt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.